Stockwerkeigentum und wer bestimmt?

Leben in einer Eigentumswohnung liegt aktuell im Trend. 2017 lebten ca. 1.4 Millionen Schweizer Haushalte in einer Eigentumswohnung. Tendenz steigend. Damit man sich rundum wohl fühlt, ist neben der Wohnung auch die Regelung der Rechte und Pflichten der einzelnen Stockwerkeigentümer von zentraler Bedeutung.

Soll etwas verändert werden, das alle Stockwerkeigentümer betrifft, muss darüber abgestimmt werden. Das kann z.B. die geplante Erneuerung des Daches sein: Umgebungsarbeiten, die Modernisierung des Kinderspielplatzes usw. Man spricht hier von "zwingend gemeinschaftlichen" Gebäudeteilen. Dazu zählen das Dach, die Fundamente des Hauses, die statisch relevanten Mauern, der Boden und der Kinderspielplatz. Möchte eine Partei daran etwas ändern, geht das nur über eine Abstimmung.

Sondernutzungsrecht

Zu vielen Diskussionen gibt auch immer wieder das Sondernutzungsrecht. Der Gartensitzplatz bei einer Eigentumswohnung im Erdgeschoss ist ein Paradebeispiel dafür. Eine Partei mit Sondernutzungsrecht hat das Recht, bestimmte gemeinschaftliche Gebäudeteile exklusiv zu nutzen. Wer aber nun glaubt, er könne dank Sondernutzungsrecht in seinem Garten machen, was er will, liegt falsch. Denn wer das äussere Erscheinungsbild verändert – z.B. wenn der Eigentümer eine Gartenhäuschen aufstellen möchte – muss zuerst die Erlaubnis der Stockwerkeigentümerschaft einholen. Enschieden wird mittels einer Abstimmung, Ausser im Reglement ist etwas anderes vorgesehen.

Wertquote, Kopfstimme oder Stockwerkeinheit?

Für eine Abstimmung kann es entscheidend sein, wie das Stimmrecht gemäss Reglement vorgegeben ist. Die folgenden drei Definitionen sind üblich:

1. Kopfstimme/Stockwerkeinheit:

Jeder Eigentümer hat eine Stimme, unabhängig davon über wie viele Stockwerkeigentumsanteile er verfügt.

2. Wertquote:

Je mehr Anteile ein Eigentümer an der StWEG besitzt, desto höher ist seine Wertquote. Besitzt ein Eigentümer zBsp. 295 Anteile, so beträgt seine Wertquote 295 Promille gemessen am Wert aller Gebäudeanteile. In der Wertquote ausgedrückt 295/1000.

3. Stimmrecht nach Köpfen und Anteilen:

Kopfstimme und Wertquote werden kumuliert.

Abstimmung ≠ Abstimmung.

Je nach Abstimmungsgrund hängt die Beschlussfähigkeit von anderen Abstimmungskriterien ab. Damit die Versammlung der StWEG beschlussfähig ist, kommt abhängig vom Gegenstand der Abstimmung, eine der folgenden drei Möglichkeiten in Frage:

Einfaches Mehr

Die Hälfte aller Stockwerkeigentümer ist anwesend. Diese Hälfte ist auch zur Hälfte anteilsberechtigt. Es müssen immer mindestens zwei Stockwerkeigentümer anwesend oder vertreten sein. Sind zu wenig Stockwerkeigentümer anwesend, so muss eine zweite Versammlung einberufen werden. Wenn mindestens ein Drittel aller Stockwerkeigentümer an der zweiten Versammlung teilnimmt, mindestens aber zwei anwesend oder vertreten sind, ist die zweite Versammlung beschlussfähig. Das einfache Mehr gilt für die meisten aller Fälle.

Qualifiziertes Mehr = Kopfstimmenmehr + Wertquotenmehr

Gegenüber dem einfachen Mehr kommt beim qualifizierten Mehr hinzu, dass die Mehrheit aller anwesenden auch die Mehrheit der Anteile besitzen muss. Es nützt also nichts, wenn zwar nach Kopf gezählt die Hälfte anwesend ist, diese Hälfte aber nicht die Mehrheit der Anteile besitzt.

Das qualifizierte Mehr wird angewendet bei:

Änderungen des Reglements innerhalb der gesetzlichen Ordnung gem. Artikel 647b Absatz 1 ZGB

bei Änderungen des Benutzungsweise (z.B. wenn sich das Sondernutzungsrecht eines Eigentümers verändert.)

Zustimmung aller

Eher selten. Zum Beispiel wenn das Stimmrecht neu definiert werden soll, oder bei der Aufhebung des Stockwerkeigentums.

Wieviel darf der Verwalter eigenmächtig entscheiden?

Eine Versammlung der StWEG findet selten vollzählig statt. Aus diesem Grund kann jeder Stockwerkeigentümer seine Stimme einem Vertreter übertragen. Oftmals wird der Verwalter als Vertreter eingesetzt, was den Vorteil hat, dass dann die Versammlung meistens beschlussfähig ist. Es kann aber auch dazu führen, dass der Verwalter über einen sehr grossen Anteil der Stimmen verfügt. Dies könnte er ausnützen, um seine Interessen durchzusetzen.

Vertretungen, die durch den Verwalter gemacht werden, sollten reglementiert werden: Wie und wann darf der Verwalter die Stimmen, die ihm übertragen werden, einsetzten?

Autor: Jonas Schumacher