Näherbaurecht - Vereinbarungen unter Nachbarn
Einzelne Grundstücke können aufgrund ihrer Ausrichtung, Lage und Form eine echte Herausforderung für die Eigentümer sein, welche darauf ein Bauprojekt realisieren möchten. Die baurechtlichen Abstandsvorschriften scheinen ein unüberwindbares Hindernis für eine gescheite Ausnützung der Parzelle. Das Gesetz sieht unter anderen Möglichkeiten dazu das Institut des "Näherbaurechts" vor.
Je enger die Platzverhältnisse, desto mehr werden Nachbarn darauf angewiesen sein, untereinander Vereinbarungen zu treffen über die Nutzung oder die Beschränkung von Grundstücken. Zu den besonders häufigen Regelungen gehört das Näherbaurecht, welches benachbarte Eigentümer untereinander vereinbaren können.
Das Näherbaurecht ist das Recht von Nachbarn, die vom Kanton und von der Gemeinde vorgeschriebenen Grenz- und Gebäudeabstände zu unterschreiten. Dieses Recht wird einseitig oder auch gegenseitig eingeräumt, näher an die Grenze zu bauen als die Bau- und Zonenordnung es vorschreibt. Abgesehen von den zwingenden Vorschriften (Vorbehalt der wohnhygienischen und feuerpolizeilichen Vorschriften) des öffentlichen Rechts sind die Nachbarn weitgehend frei in der Gestaltung des Inhalts solcher Vereinbarungen.
Einseitiges oder gegenseitiges Näherbaurecht
Mit dem Unterschreiten des Grenzabstands sind Beeinträchtigungen in Belangen wie Licht, Besonnung, Aussicht und allenfalls Immissionen verbunden. Mit einer gewissen Wertminderung muss hier gerechnet werden, weshalb ein belasteter Nachbar sich überlegen kann, ob er dafür eine Entschädigung verlangen will. Der Nachbar des betroffenen Nachbargrundstücks kann die Gewährung des Näherbaurechts auch einfach verweigern. Der wichtigste Aspekt: Baut er später, muss er bei einem einseitigen Näherbaurecht seinerseits den gesetzlichen Gebäudeabstand wahren. Liegt es im Interesse beider Parteien, wird das gegenseitige Näherbaurecht festgelegt.
Beide Varianten sind als Vereinbarung theoretisch an keine Form gebunden. In der Praxis wird kaum jemand auf ein schriftliches Festhalten verzichten. Spätestens beim Einholen einer Baubewilligung muss sie nämlich den Baubehörden nachzuweisen sein.
Öffentliche Beurkundung schafft Sicherheit
Besonders im Hinblick auf einen zukünftigen Zugriff dieses Rechts, unabhängig von der Person des Eigentümers wird in der Praxis diese Vereinbarung in Form eines ausführlichen Dienstbarkeitsvertrags (Pläne, Umschrieb Zweck und Projekt/Bauvorhaben) öffentlich beurkundet, d.h. im Grundbuch als Dienstbarkeit eingetragen: Sie ist somit mit den Grundstücken selbst verbunden und auch für künftige Eigentümer verbindlich und wird in den Stichworten "Last" (= Dulden/Unterlassen) und "Recht" eingetragen.
Prüfen der Ausgangslage und Folgen wichtig
Beim Einräumen von Näherbaurecht stellen sich bei den Nachbarparzellen die Frage, worum es sich hier handelt, nämlich
- um Bauland oder
- bereits überbaute Parzellen
- inwiefern sich der Erstbau auf dem Abstand des Zweitbaus auswirken wird
- welche Bestimmungen im Gemeindebaureglement für die Unterschreitung von Grenz- und Gebäudeabständen enthalten sind
Es ist somit angezeigt, im Einzelfall Ausgangslage genau zu prüfen, bevor ein (gegenseitiges) Näherbaurecht eingeräumt wird, welches sich unter Umständen anstatt als Vorteil als Nachteil auswirken könnte.
Autor: Patrizia Pellandini